Organspende rettet Leben – jede Entscheidung zählt
Organspende in Deutschland – Fakten, Verfahren und Perspektiven
Die Organspende ist für viele schwer kranke Menschen die einzige Chance auf ein neues Leben. Gleichzeitig ist sie ein sensibles Thema, das ethische, medizinische und gesellschaftliche Fragen aufwirft. Trotz des medizinischen Fortschritts und klarer gesetzlicher Regelungen ist die Organspendebereitschaft in Deutschland weiterhin gering. Nur wenige Verstorbene kommen tatsächlich als Spender in Frage – und viele Betroffene warten vergeblich auf ein lebensrettendes Organ.
In diesem Beitrag beleuchten wir den aktuellen Stand der Organspende in Deutschland, erklären die gesetzlichen Grundlagen, zeigen Alternativen wie die Lebendspende auf und geben Einblick in das aufwendige Vergabesystem über Eurotransplant.
Aktuelle Situation – Bedarf und Spendenbereitschaft
Rund 12.000 Patientinnen und Patienten stehen derzeit in Deutschland auf der Warteliste für ein Spenderorgan, darunter allein etwa 9.000 Menschen mit terminalem Nierenversagen, die regelmäßig eine Dialyse erhalten. Während diese Patienten durch eine „künstliche Niere“ (Hämodialyse) noch über Jahre am Leben gehalten werden können, ist die Situation für viele andere mit Herz- oder Leberversagen akut lebensbedrohlich.
Deutschland liegt mit etwa 15,3 Organspendern pro eine Million Einwohner (Stand: 2023) im europäischen Vergleich auf den hinteren Plätzen. Länder wie Spanien, Belgien oder Österreich verzeichnen deutlich höhere Spenderzahlen. Ein wesentlicher Grund für die niedrige Spendenquote in Deutschland ist die Entscheidungslösung: Es dürfen nur dann Organe entnommen werden, wenn die verstorbene Person zu Lebzeiten aktiv zugestimmt hat – oder Angehörige in ihrem Sinne entscheiden. In emotional belastenden Situationen lehnen viele Familien die Organspende ab, oft mangels Kenntnis über den Willen des Verstorbenen.
Der Organspendeausweis – einfach und wichtig
Die Entscheidung zur Organspende kann freiwillig und formlos dokumentiert werden – am besten im Organspendeausweis oder seit 2024 auch im elektronischen Organspende-Register. Jeder Mensch ab 16 Jahren kann dort festlegen:
- Ob er zur Organspende grundsätzlich bereit ist oder nicht
- Ob nur bestimmte Organe oder Gewebe gespendet werden sollen
- Ob eine andere Person über die Spende entscheiden soll
Besondere medizinische Untersuchungen sind zu Lebzeiten nicht erforderlich. Einmal ausgefüllt, sollte der Ausweis bei den persönlichen Dokumenten aufbewahrt oder mitgeführt werden.
Lebendspende – eine Alternative zur Wartezeit
Gerade bei der Nierentransplantation kann neben der postmortalen auch eine Lebendspende durchgeführt werden – meist durch nahe Angehörige oder vertraute Personen. Die Wartezeit für eine postmortale Nierenspende beträgt aktuell 5 bis 7 Jahre.
Dank moderner, minimalinvasiver Operationstechniken kann die Entnahme für den Spender schonend durchgeführt werden. Die verbliebene Niere übernimmt die Aufgabe der entfernten Niere, und der Spender kann in der Regel sein Leben ohne Einschränkungen fortführen. Voraussetzung ist eine umfassende medizinische und psychologische Aufklärung, die u. a. durch eine Ethikkommission begleitet wird.
Im Jahr 2006 lag der Anteil an Nierentransplantationen durch Lebendspenden bei etwa 18,8 % – seither hat die Bedeutung dieses Verfahrens zugenommen.
Eurotransplant – gerechte Organverteilung
Alle Organe, die von Verstorbenen gespendet werden, werden in Deutschland zentral über die Stiftung Eurotransplant vermittelt. Eurotransplant koordiniert die Organvergabe für Deutschland, Österreich, Belgien, Luxemburg, die Niederlande, Kroatien, Slowenien und Ungarn. Die Organisation arbeitet gemeinnützig und vergibt die Organe nach einem geregelten, computergestützten Punktesystem, das mehrere Kriterien berücksichtigt:
- Gewebeverträglichkeit (HLA-Match) – bis zu 400 Punkte
- Wahrscheinlichkeit auf einen passenden Spender – bis zu 100 Punkte
- Wartezeit – 50 Punkte pro Jahr
- Entfernung zwischen Spender und Empfänger – bis zu 200 Punkte
- Dringlichkeit (high urgency) – 300 Zusatzpunkte
- Import-/Export-Bilanz der beteiligten Länder – bis zu 200 Punkte
Ein spezieller Algorithmus (der sog. Wujciak-Algorithmus) erstellt auf Basis dieser Faktoren eine Rangliste. Das Transplantationszentrum erhält eine Benachrichtigung und entscheidet nach Prüfung der Daten über die Annahme des Organs. So ist gewährleistet, dass die Zuteilung medizinisch und ethisch fair erfolgt.
Das Eurotransplant Senior Programm (ESP)
Mit der steigenden Lebenserwartung nimmt auch der Bedarf an Nierentransplantationen für ältere Menschen zu. Seit 1999 läuft daher das Eurotransplant Senior Programm, bei dem Nieren älterer Spender (ab 65 Jahren) bevorzugt an ebenso ältere Empfänger vermittelt werden – möglichst regional, um Transportwege kurz zu halten und die sogenannte kalte Ischämiezeit zu verkürzen. Die Ergebnisse nach fünf Jahren zeigen, dass das Überleben der Transplantate bei älteren Spendern ebenfalls gut ist – und die Wartezeiten für Senioren deutlich verkürzt werden können.
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